Die Empfehlungen täglich eine bestimmte Menge an Wasser zu sich zu nehmen sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen und zwar vor allem in der Laienpresse. Genauso sind die Empfehlungen mehr Wasser zusätzlich zu anderen Flüssigkeiten zu sich zu nehmen drastisch angestiegen. Tatsächlich ist die Zahl an konsumierten Wasserflaschen in jüngster Zeit deutlich angestiegen und hat sogar die Menge an allen anderen Getränken, die von der Bevölkerung konsumiert werden, deutlich überholt. 1,2
Dahinter stecken alle möglichen Gesundheitsversprechen wie ein längeres Leben, „Entgiftung“ des Körpers, leichteres Abnehmen, eine bessere Haut, und viele andere. Leider werden diese Empfehlungen wissenschaftlich gar nicht unterstützt, vielmehr kann ein Trinken „über den Durst hinaus“ sogar schädlich sein. Deshalb lohnt ein kurzer Blick auf unseren Wasserhaushalt.
Unser Körper bsteht zu mehr als 50% aus Wasser, Männer bis zu über 60% davon. Wasser, sei es innerhalb unserer Zellen oder im Gefäßsystem oder auch im Gewebe, ist unerlässlich für eine Vielzahl von zentralen Funktionen des Körpers, aber vor allem ist es auch nötig um die Zahl gelöster Teilchen in und außerhalb unserer Zellen konstant zu halten (sog. Osmolarität). Wie so viele Systeme unseres Körpers wird die Wassermenge unseres Organismus in sehr engen Grenzen gehalten, weshalb wir im Lauf der Evolution zwei starke Mechanismen entwickelt haben, um sowohl ein zu wenig als auch ein zu viel Wasser im Körper zu vermeiden. Nämlich, 1) das Durstgefühl und 2) ein spezielles Hormon, welches in der Hirnanhangdrüse produziert wird und letztlich auf die Niere wirkt (ADH, antidiuretisches Hormon). Bereits auf nur 1-2% Verlust an Körperwasser reagieren wir mit Durst, womit auch einem Mythos entgegnet wird, dass das Durstgefühl zu spät auftaucht und man deshalb präventiv trinken sollte. Seit zig tausenden Jahren hat uns das Durstgefühl geholfen zu überleben, warum sollte es im Gegensatz zu allen anderen Regelkreisen des Körpers also ineffektiv sein? Zudem wird bei Wassermangel das antidiuretische Hormon aktiviert, welches der Niere signalisiert Wasser im Körper zu konservieren. Es existieren bislang keinerlei Studien, die belegen könnten, dass ein Trinken über den Durst hinaus irgendwelche Vorteile für die Gesundheit bringen könnte. Übertreibt man es mit zu viel trinken kann dies sogar zur Verdünnung von Salz im Blut kommen, was unter gewissen Umständen auch gefährlich sein kann, wie dies etwa bei Marathonläufern beobachtet wurde oder wenn aus irgend einem Grund tatsächlich viele Liter an Flüssigkeit plötzlich konsumiert werden und die Nieren das zu viel an Wasser nicht mehr rechtzeitig verdünnen können. Erst ab der siebenten Lebensdekade kann es dazu kommen, dass unser Durstempfinden nachlässt, weshalb ältere Menschen Acht geben sollten auch ausreichend hydriert zu sein.
Eine einfache Regel, wieviel und wie oft man eigentlich trinken sollte, kann nicht für jeden gegeben werden, da dies vom einzelnen Individuum, der Außentemperatur, der körperlichen Aktivität, dem Gesundheitszustand, etc. abhängt. Grundsätzlich benötigen die Nieren, vorausgesetzt man ist gesund, körperlich nicht sehr stark aktiv und es herrschen moderate Außentemperaturen, nicht viel mehr als einen Liter Wasser pro Tag, um den Wasserhaushalt konstant zu halten. Deshalb sind ca. 1.5 Liter Flüssigkeit pro Tag, welche aber jede Form von Wasser inkludiert also auch Kaffee, andere Getränke, Suppen, Obst, etc. miteinschließt ein guter Ausgangspunkt für die Bestimmung der individuellen Wasserzufuhr. Selbstverständlich müssen sowohl akute Erkrankungen (Infektionen, Fieber und Durchfall), wie auch chronische Krankheiten, welche direkt die Wasserregulation beeinflussen, v.a. Herz- und/oder Nierenerkrankungen sowie Medikamente, die auch entwässernd wirken (z.B. Diuretika) speziell durch einen erfahrenen Arzt berücksichtigt werden. Ansonsten sollten wir uns auf den gesunden Menschenverstand und vor allem unser Durstgefühl verlassen und nicht auf vermeintliche Gesundheitsversprechen reinfallen.3
- Hydration, water intake and beverage consumption habits among adults. Nutrition Bulletin 2012.
(https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1467-3010.2012.01976.x ) - Americans Now Drink More Bottled Water Than Soda. Food & Wine 2017.
(https://www.foodandwine.com/news/science-technology/americans-now-drink-more-bottled-water-soda ) - https://www.health.harvard.edu/staying-healthy/how-much-water-should-you-drink