Ein neu aufgetretener Diabetes mellitus nach Nierentransplantation (PTDM, Post-Transplant Diabetes Mellitus), früher NODAT stellt eine ernsthafte Komplikation dar, die insgesamt mit schlechterem Patienten- und Transplantatüberleben assoziiert ist.
Obwohl bis zu 50% aller nierentransplantierten Patienten von einer Blutzuckerstörung betroffen sein können, gab es bisher keine kontrollierten Studien zur Behandlung eines manifesten PTDM. Im Gegensatz zum Typ 2 Diabetes Mellitus (T2DM) dürfte die pathophysiologische Ursache eines PTDM vor allem in einer Insulinsekretionsstörung liegen, verur- sacht in erster Linie durch die immunsuppressive Medikation, insbesondere durch Kalzineurinhemmer und Steroide (Hecking M; Diabetes Care 2013; 36:2763).
Während einige Zentren die schnelle Reduktion der immunsuppressiven Therapie als Erstmaßnahme zur Behandlung eines PTDM postulieren, besteht bei dieser Behandlungsstrategie ein deutlich höheres Risiko für akute Abstoßungs-reaktionen. In weiterer Folge führt die danach notwendige intensivierte immunsuppressive Therapie zur Behandlung der Abstoßungsreaktionen wiederum zu einer deutlich höheren Rate von PTDM. Aus diesem Grund hat eine spezi-fische medikamentöse Therapie einen zentralen Stellenwert in der Behandlung des PTDM.
Bei der medikamentösen Therapie von T2DM stellt Metformin die erste Wahl dar, allerdings ist der Einsatz bei Pati- enten mit chronischer Niereninsuffizienz bekanntermaßen problematisch, insbesondere bei einem auch deutlich erhöhten Risiko für akute Infektionen, Diarrhoe, etc., sodass hier unbedingt kontrollierte Studien gefordert sind. Sulfonylharnstoffe stimulieren unspezifisch die Freisetzung von Insulin durch Blockade von Kalium-Kanälen in den ß-Zellen der Bauchspeicheldrüse. Diese können zwar dosisadaptiert auch bei diabetischen Patienten mit Nierenin-suffizienz eingesetzt werden, doch erscheint gerade unter dem Aspekt der gestörten Insulinsekretionsstörung beim PTDM eine Therapie, welche letztlich eine Erschöpfung der Inselzellen nicht nur nicht verhindert, sondern vermutlich sogar fördert, nicht sinnvoll. Insulin wurde bereits erfolgreich zur Behandlung von Blutzuckerstörungen bei nieren- transplantierten Patienten eingesetzt, allerdings besteht hier ein deutlich höherer Aufwand Patienteneinschulung. Dipeptidylpeptidase 4-(DPP-4) Inhibitoren verhindern den Abbau des Hormons Glucagon-like Peptide 1 (GLP-1) und steigern somit die körpereigene Insulinproduktion. Gleichzeitig wird auch die Glukagonausschüttung gehemmt, womit das körpereigene Insulin insgesamt eine längere Wirkungsdauer besitzt.
Ein großer Vorteil von DPP-4-Inhibitoren liegt deshalb in der sehr niedrigen Inzidenz von Hypoglykämien sowie der Möglichkeit der Anpassung dieser Substanzklasse an eine reduzierte Nierenfunktion. Aufgrund der genannten Vorteile erscheinen DPP-4-Inhibitoren äußerst sinnvoll zur Behandlung eines PTDM. Während der Nüchternblutzucker wie auch der HbA1c für die Diagnose eines bestehenden PTDMs von beschränkter Aussagekraft sind, gilt der orale Glukose-Toleranztest (OGTT) als Goldstandard für die Diagnose.
An der klinischen Abteilung für Nephrologie und Dialyse der Medizinischen Universität Wien werden seit 2008 routine- mäßig OGTTs nach Nierentransplantation durchgeführt. Insgesamt konnte bei 213 von 509 untersuchten Patienten (42%) eine Blutzuckerstörung festgestellt werden. Bei 63 (12.5%) Patienten wurde ein manifester PTDM diagnostiziert. Von diesen wurden jeweils 16 Patienten im Rahmen der VINODAT- (Vildagliptin in New-Onset Diabetes After Transplantation) Studie jeweils in eine Behandlungsgruppe (Vildagliptin) oder in einer Kontrollgruppe (Plazebo) randomisiert. Ziel dieser Studie war es, die Effizienz und Sicherheit des DPP-4-Inhibitors Vildagliptin bei nierentransplantierten Patienten mit PTDM zu untersuchen.
Die Studie wurde doppelblind durchgeführt. Die Patienten in der Behandlungsgruppe erhielten einmal täglich 50 mg Vildagliptin, die zugelassene Dosierung bei eingeschränkter Nierenfunktion. Alle Patienten erhielten im Rahmen der Randomisierung eine Anleitung zur Lebensstilmodifikation, welche eine Diätberatung sowie Instruktionen zu struk-turierter körperlicher Bewegung beinhaltete. Beide Maßnahmen stellen den meisten Leitlinien entsprechend die Primärbehandlung im Rahmen der Stufentherapie bei einem neudiagnostizierten T2DM dar.
Als primärer Endpunkt galt die Differenz zwischen dem 2-Stundenblutzuckerwert (2HPG) des OGTTs vor und 3 Monate nach Behandlungsbeginn. Nach 3 Monaten wurden die Studienmedikamente abgesetzt und es erfolgte 4 Wochen später ein weiterer OGTT, um die Robustheit eines möglichen Behandlungseffekts zu untersuchen.
Die Behandlungsgruppe hatte drei Monate nach Studienbeginn deutlich bessere 2-HPG im OGTT (Abbildung). Auch der HbA1c war signifikant besser in der Behandlungsgruppe, während die reine Lebensstilmodifikation als alleinige Therapie in der Kontrollgruppe zu keiner Verbesserung der Blutzuckerwerte führte. Allerdings muss eine Umsetzung der Lebensstilmodifikation durch die Patienten bei fehlender Gewichtsreduktion und insgesamt älterem und multimorbidem Patientenkollektiv kritisch hinterfragt werden.
Interessanterweise waren die HbA1c-Werte in der Behandlungsgruppe verglichen zur Kontrollgruppe auch ein Monat nach Therapieende noch immer signifikant besser. Die Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen von geringer Int- ensität, reversibel und etwa in beiden Gruppen im gleichen Ausmaß vorhanden. Eine Interaktion mit der Immun-suppression konnte nicht beobachtet werden.
Die Ergebnisse der VINODAT-Studie wurden in zwei weiteren Studien mit dem DPP-4-Inhibitor Sitagliptin bei nier- entransplantierten Patienten mit PTDM bestätigt. Hierbei zeigte sich ebenfalls eine deutliche Verbesserung der Blutzuckerregulation, bei insgesamt niedriger Nebenwirkungsrate. Auch in diesen Studien wurde keine Interaktion mit der Immunsuppression beobachtet. Allerdings waren auch diese Studien von kurzer Beobachtungsdauer, womit Langzeitnebenwirkungen damit nicht erfasst werden konnten (Strom Halden TA; Nephrol Dial Transpl 2014; 29:922; Lane JT; Transplantation 2011; 92:e56).
Zusammenfassend war die VINODAT-Studie die erste randomisiert-kontrollierte Studie, welche ein orales Antidia-betikum bei nierentransplantierten Patienten untersucht hat. Neben dem guten Nebenwirkungsprofil des DPP-4-Inhibitors Vildagliptin konnte keine Interaktion mit der immunsuppressiven Therapie beobachtet werden. Im Gegen- satz zu anderen Studien bei nierentransplantierten Patienten und bei Patienten mit T2DM führte in der VINODAT-Studie eine Lebensstilmodifikation alleine nicht zu einer Verbesserung der Blutzuckerregulation.
Insgesamt erscheint zwar die Behandlung mit DPP-4-Inhibitoren als effizient und sicher, zumindest über einen über- schaubaren Zeitraum, jedoch lassen aus pathophysiologischer Sicht die direkte Entlastung der Inselzellen sowie antiapoptotische Effekte DPP-4-Inhibitoren als attraktive Substanzen zur Behandlung wie auch möglicherweise zur Prävention eines PTDM erscheinen. Eine gerade erschienene Publikation, etwa zu Sitagliptin bei neumanifestiertem PTDM, bestärkt diese Sichtweise (Boerner BP; Int J Endocrinol 2014; 2014:617638).
Dr. Michael Haidinger
Prof. Dr. Marcus D. Säemann
Klinische Abteilung für Nephrologie und Dialyse
Medizinische Universität Wien