Speisesalz, welches schon von den Römern als Zahlungsmittel verwendet wurde (zum Bezahlen der Legionäre) und durch Transport und Handel viele Städte zu reichen Metropolen machte (und deshalb natürlich auch Grund für vielerlei Kriege war), erhitzt schon seit vielen Jahren die Gemüter der medizinischen Community. Es wäre – zumindest medizinhistorisch – interessant, die Gründe für den tiefen Salzhass vor allem bei Medizinern zu erforschen, denn irgendwann beginnen sich offenbar Bilder und scheinbar in sich schlüssige Geschichten, oftmals propagiert von sprachmächtigen und nicht selten fanatischen Trägern einer Idee, zu verselbstständigen und als allgemeingültig anerkannt zu werden. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn es sich um bloße Ideen handeln würde.
Leider behandeln wir Nephrologen auch unsere Patienten mit bestimmten Bildern im Kopf und können so potenziell Schaden anrichten, wenn solche Bilder mit der Wirklichkeit wenig zu tun haben. So ist die Idee von der generellen kardiovaskulären Schädlichkeit von Salz bei genauerer Betrachtung nicht so offensichtlich: Zwar können sich unter Kochsalzarmut durchaus Reduktionen des arteriellen Blutdrucks einstellen, diese sind in der Regel – bei sehr schwerem Durchhalten einer solchen Nahrung über einen längeren Zeitraum – aber nur moderat. Darüber hinaus zeigen jüngste Studien, dass a) diese Veränderungen nicht automatisch mit einem niedrigeren Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko assoziiert sind, und b) eine sehr große Studie – mit den gegenwärtigen besten Methoden, die uns epidemiologisch zur Verfügung stehen (PURE Study) –, dass eine niedrige Kochsalzzufuhr in der Allgemeinbevölkerung tendenziell gefährlicher ist als eine höhere Kochsalzzufuhr.
Leider waren und sind viele der Alarmnachrichten – auch in hochrangigen Journalen – rein statistische Modelle, welche die möglichen Benefits (etwa durch Blutdruckreduktion) einer kochsalzarmen Diät „hochrechnen“.
Umso mehr müssen wir uns im Kontext chronischer Nierenerkrankungen nach den Effekten der Kochsalzmenge bei unseren Patienten kritische Fragen stellen, v. a. auch im Hinblick auf RAS-Blockade und Kaliumzufuhr (die bei Gesunden offenbar wichtiger ist als die Kochsalzzufuhr). Das vorliegende NEPHROScript versucht genau dies und dabei unseren derzeitigen Wissenstand bestmöglich abzubilden – und zwar für das nahezu gesamte Spektrum an CKD-Patienten inklusive Hämodialyse-Patienten. Bei den Expertenfragen und vor allem Antworten werden Sie als genaue LeserInnen merken, wie scheinbar einfache Tatsachen des klinischen Alltages gar nicht so leicht zu beantworten sind: leider lassen uns hier (wie öfters) Leitlinien auch im Stich. Kochsalz, insbesondere bei CKD-Patienten, stellt hier exemplarisch jenes Feld dar, um unser Wissen und Handeln (wie auch unsere „Bilder“) kritisch zu hinterfragen und zu überprüfen: das vorliegende Heft möge Ihnen dabei eine nützliche Hilfe sein!
Von den vielen Salzzitaten aus Bibel und weltlicher Literatur wählen wir John Updike: „Wenn Gott nicht gewollt hat, dass wir Salz und Fett essen, wieso hat er dann dafür gesorgt, dass beides so gut schmeckt?“
ao. Univ.-Prof. Dr. Sabine Schmaldienst
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Marcus D. Säemann